Im VW-Dieselskandal bringen mehrere Urteile des Bundesgerichtshofes nunmehr Klarheit für betroffene Käufer.
In der Entscheidung vom 25.05.2020 hat der BGH abschließend entschieden, dass VW den Käufern eines Autos mit dem Dieselmotor Typ EA189, Schadstoffnorm Euro 5, aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB, haftet.
Das Verhalten von VW ist als objektiv sittenwidrig zu qualifizieren. VW hat aufgrund einer strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kostenund Gewinninteresse, systematisch Fahrzeuge in den Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung programmiert war.
Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu den Käufern, die ein Fahrzeug in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erworben haben, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen unserer Rechtsund Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Dies gilt nicht nur für den Erwerb eines Neufahrzeugs, sondern auch für den Erwerb eines Gebrauchsfahrzeugs.
Da VW seiner Darlegungslast bezüglich der verantwortlichen Personen, die für die grundlegende strategische Entscheidung zur Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software nicht nachgekommen ist, kann angenommen werden, dass die grundlegende strategische Entscheidung zur Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software in Kenntnis und mit Billigung der damals verantwortlichen Vorstände getroffen und umgesetzt worden ist.
Das nachträglich aufgespielte Software-Update beseitigt den Schaden der Käufer nicht. Der Schaden liegt darin, dass der Käufer ein Fahrzeug erhalten hat, dass für seine Zwecke nicht voll brauchbar war, da aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung eine Betriebsstilllegung gedroht hat.
Der Käufer kann daher von VW die Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des Fahrzeugs verlangen. Er muss sich aber die Nutzungsvorteile auf Grundlage der gefahrenen Kilometer anrechnen lassen, vgl. BGH v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19.
In weiteren Entscheidungen vom 30.07.2020 hat der BGH entschieden, dass bei einem Gebrauchtwagenkauf nach Aufdeckung des „Dieselskandals“ dem Käufer kein Schadensersatz aus § 826 BGB zusteht.
Am 22.09.2015 erfolgte von VW eine Pressemitteilung, in der die Öffentlichkeit über die Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189 informiert und mitgeteilt wurde, dass VW daran arbeite, die Abweichungen zwischen den Prüfstandwerten und den Werten beim realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen und diesbezüglich mit dem Kraftfahrtbundesamt in Kontakt stehe.
Mit dieser Information hat VW sein bisheriges Verhalten derart relativiert, dass potenzielle Käufer von Gebrauchtwagen mit VW Dieselmotoren nicht mehr arglos davon ausgehen konnten, dass VW Dieselmotoren mit einer vorschriftsmäßigen Abgastechnik ausgerüstet sind. Wenn sich ein Käufer erst nach der Information der Öffentlichkeit vom 22.09.2015 für einen Kauf entschieden hat, ist daher keine sittenwidrige Schädigung mehr gegeben, sodass dem Käufer kein Schadensersatz gem. § 826 BGB zusteht, vgl. vgl. BGH v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20.
Des Weiteren hat der BGH am 30.07.2020 entschieden, dass die Nutzungsvorteile den Schadensersatzanspruch vollständig aufzehren können und den geschädigten VW-Käufern keine „Deliktszinsen“ zustehen. Dass sich die Käufer im Rahmen des Vorteilsausgleichs ein Nutzungsentgelt für die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen müssen, hatte der BGH bereits im Urteil vom 25.05.2020 entschieden. In der nunmehrigen Entscheidung hat BGH entschieden, dass die Berechnung der gezogenen Nutzungen nach der Formel „Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer seit Erwerb : durch erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt“, nicht zu beanstanden ist und der Nutzungsvorteil so berechnet werden kann.
Da in den entschiedenen Fall der Kläger bereits viele Kilometer gefahren war, in dem entschiedenen Fall, wies der Tachostand sogar mehr Kilometer auf, als die zugrunde gelegte Gesamtlaufleistung-, führte dies dazu, dass der vorzunehmende Vorteilsausgleich, den vom Kläger aufgewendeten Kaufpreis, vollständig aufgezehrt hat, vgl. BGH v. 30.07.2020 – VI ZR 354/19.
Für geschädigte VW-Käufer gibt es keine „Deliktszinsen“. Zinsen sind von VW nicht zu erstatten, da der Käufer als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht nutzbares Fahrzeug erhalten hat und die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes, kompensiert, vgl. BGH 30.07.2020 – VI ZR 397/19.
Die Erstattung von „Deliktszinsen“ hätte bedeutet, dass der Kaufpreis ab Kaufpreiszahlung bis zur Rückzahlung mit einem jährlichen Zinssatz von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.
Über die Verjährung der Schadensersatzansprüche liegt noch keine höchstrichterliche Entscheidung vor. Gemäß einiger untergerichtlicher Entscheidungen, beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist, erst mit der Kenntnis des Käufers, dass ihm ein Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller zusteht, zu laufen. Die Kenntnis hat der Käufer erst mit der nunmehrigen Entscheidung des BGH.
Außerdem gilt bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, eine Verjährungsfrist von 10 Jahren. Diese Verjährungsfrist beginnt ab Entstehung des Anspruchs zu laufen.
Auch wenn bisher noch keine Schadensersatzansprüche gegen VW geltend gemacht wurden, dürfte die Einrede der Verjährung daher nicht greifen und Schadensersatzansprüche gegen VW können noch geltend gemacht werden.